BABU Vern   NA BIBI Hilda – Gottleute mit Herzöffnerpower

BABU Vern   NA BIBI Hilda – Gottleute mit Herzöffnerpower

25. Oktober 2023 3 Von Carmikahindo

Ich bin heute morgen etwas angefasst. Ein etwas emotionaler Schub von Ambivalenzen.

Seit meiner Begegnung mit den beiden Amerikanern, Bibi Hilda und Babu Vern (Großmutter und Großvater) bin ich auf eine Weise bei mir selbst angekommen, als wäre meine Aufmerksamkeit von der Stratosphäre meines Selbst-Planeten, wo ich mit anderen in Kontakt gehe und im Außen was erlebe direkt in den heißen Kern meines Selbst gerutscht. Da wo meine zarten Seiten wohnen, meine eigenen Ambivalenzen und die Mühe, mit der Fremdheit und Unkontrollierbarkeit des Lebens umzugehen. Die sind unter all der Freude am Kontakt und an all dem, was ich erlebe und erfahre nämlich (was auch sonst) auch da. Nur kann ich sie gar nicht so oft spüren, weil ja alles wahr ist. Die Freude, das kindliche Staunen, die Faszination mit der Vielfältigkeit des Lebens, das mir hier begegnet. Und der Preis, die Unsicherheit, die Einsamkeit damit… und weil die Freude leichter zu nehmen ist, ist meine Aufmerksamkeit verständlicherweise oft dort. Und das andere braucht auch Raum. Dafür brauche ich aber eine innere Sicherheit, die hier in der Fremde nicht so  leicht herzustellen ist. Und spannenderweise ist diese Sicherheit in der Begegnung mit Vern und Hilda in mir angekommen. Ich hab die beiden im Café gesehen letzte Woche. Hilda hatte ich ein paar Tage zuvor schon von ferne im Supermarkt an der Kasse gesehen, ohne dass wir mehr als ein freundliches Nicken geteilt hätten.

Jetzt saß sie im Café mit einem Mann, der aussieht wie der kleine Bruder vom Weihnachtsmann und mit seinem hellgrauen Rauschebart mich sehr an meinen amerikanischen Freund Ron aus Wuppertal erinnert ( if You read this: Hi my Dear, I miss You profoundly!) bzw. er sieht aus wie der Schauspieler, der den Oberspion Saul Berenson in der Serie homeland gespielt hat. Ich bin fasziniert, geh aber nicht hin, sondern schaue nur mal kurz quer durchs Café.

Etwas später geh ich raus zum Bäckereiladen vor der Tür und auf dem Rückweg steht da dieser Bär von einem Kerl. Und wir kommen ganz unverfänglich ins Gespräch. Und ich erzähl ihm, dass er mich an diesen Schauspieler erinnert. Und dass wir alle doch nicht nur Sünder sind, sondern Gottes Liebe verdienen (klingt jetzt komisch, muss man vielleicht dabei gewesen sein) ich spüre eine direkte Verbindung zu diesem Mann und wir tauschen telefonnummern aus, weil ich sehr neugierig darauf bin, wie er und seine Frau auf dem Dorf mit den Menschen leben. Also so richtig tief im Kontakt sind mit Leuten, die jeden Tag schauen müssen, wie sie ihr Überleben sichern. Er ist dort wohl irgendwas wie ein Prediger, aber auch mit Kontakt zur lutherischen Kirche. (was direkt eine Verbundenheit stärkt, weil es nicht Leute aus irgend einer mega fremden pfingstlichen Freikirchentradition sind – hallo Vorurteile)

ok, das Bild stammt aus Südafrika, stimmt aber auch für unsere God´s windows, die Augen und die Seelen…

Am Montag, ich genieße gerade mein afrikanisches Mittagessen nach der eher herausfordernden Begegnung mit der Uni-Bürokratie  – kriege ich eine Nachricht, dass sie gerade im Tanz Hands sind und gern etwas Zeit mit mir verbringen würden, falls ich da wäre. Ich schreib zurück, dass ich noch ein Stündchen brauche aber dann gern mich treffen mag. Und sie entscheiden sich zu warten.

Und wirklich, als ich 40min später im Café auftauche, sitzen sie da und wir setzen uns an einen Tisch und erzählen uns von unserem Leben. Und es ist sofort Nähe und Vertrauen da. Die beiden haben vor gut zwei Jahren daheim in den USA alles verkauft, sind in einen Flieger gestiegen, so ohne Netz, doppelten Boden und sicheren Rahmen einer sendenden Organisation, weil sie sich nach Afrika gesandt fühlen, in einer Mission, Gottes Liebe hier mit den Menschen zu teilen. Beide sind faszinierende Menschen. Vern ein Riese und Hilda eine eher stillere Frau (wie auch sonst neben diesem Kommunikationssender gigantischen Ausmaßes) Beide in den späteren Sechzigern. Und beide hier komplett im Vertrauen, dass sie mit dem, was sie mitbringen hier für die Menschen und bei den Menschen hilfreich sein können. Und das tun sie, seit sie am ersten Morgen in Afrika aufgewacht sind. Sie folgen den Rufen, die sie hören und lassen sich von Gott und vom Leben in den Dienst nehmen.

Ob Hilda nun die Chemielaboratorien örtlicher Sekundarschulen anschaut, um Tips zu geben, wie darin guter Unterricht aussehen kann oder Vern eine Recyclinganlage für irgendwas zusammenbastelt, die ganz anders aufgebaut ist, als die Experten sagen, aber eben funktioniert. Und beide werden immer wieder gefragt, ob sie predigen oder ein Gebet sprechen oder eine Lesung halten in den Gottesdiensten in ihrem Dorf und auch mal in der großen Bistumskirche in Usa River. Wir erzählen uns viel und ich bewundere, wie sie mit dieser permanenten Unsicherheit über den nächsten Schritt umgehen. Sie fragen mich auch, wie ich das mache und ich breche allein durch die Frage in Tränen aus. Weil das schwer ist. Und sofort sind da zwei Hände auf meinen und die beruhigende Ansage: „ Oh. Let go, this is a safe space“ und in diesen Blicken voller Mitgefühl zeigt sich meine unsichere Seite und weint ein bißchen darüber, dass das, was ich hier tue, echt manchmal schweineschwer auszuhalten ist. Wenn nichts wirklich planbar, kontrollierbar oder wenigstens illusionär in meiner Hand ist, sondern ich mich immer wieder nur darauf verlassen kann, dass es im Vertrauen weitergeht (ich erinnere mich: komm du mal, den Rest macht der liebe Gott, njoo, na ingine Mungu atafanya, danke Bischof Shoo)

Und in diesen freundlichen Angesichtern (Gott erhebe sein Angesicht auf Dich und sei Dir gnädig) wächst die Sicherheit und die Gewissheit, dass Leben genau so gemeint ist. In aller Gebrochenheit und allen Ängsten – die sind nämlich immer auch da – aber immer wieder im nächsten Schritt im Vertrauen.

Wir reden bestimmt zwei Stunden und mein Herz geht ganz weit auf. Ich könnte nicht tun, was die beiden da immer wieder tun. Alle drei Monate kurz ausreisen, weil sie bisher kein richtiges Langzeit Visum bekommen haben. Auf dem Dorf leben und sich komplett einlassen auf die Menschen dort. Mit wenig Sprachkenntnissen. Wenig Geld und trotzdem mit dem Vorurteil belegt, dass sie ja Geld haben müssen, weil sie weiß sind und ein Auto haben. Ich bewundere die beiden, schaffe es aber gleichzeitig, mich glücklicherweise nicht dafür abzuwerten. Sondern klar zu kriegen, dass meine Gabe was anderes ist. Und ich das lebe. Und auch das wertvoll ist und ich mich jetzt nicht vergleichen oder kleinmachen muss.

Wer ein wenig mehr über die Erlebnisse und Herausforderungen der beiden lesen mag, findet ihren englischsprachigen Blog unter https://babuvernbibihildatanzania.blogspot.com

Jedenfalls ist seit dieser Begegnung meine Aufmerksamkeit wieder mehr bei dem Fühlen, die Ambivalenzen sind spürbarer und auch die Kraft, die im Vertrauen und in der Sicherheit in der Verbundenheit liegt. Ich fühle mich sehr verbunden, mit mir, mit anderen Menschen, mit meinen neuen afrikanischen Freunden. und in meinem inneren Reisebus ist mehr los als in jedem vollgestopften Dala Dala…

Ich zeige mich mit noch weniger Scheu. Und ich habe noch mehr Verständnis und Mitgefühl für die Menschen, die den Preis für diese Erfahrung, die ich gerade mache, auch zahlen.

Meinen Mann, der gerade sowohl ganz praktisch als auch emotional sein Leben allein auf die Kette kriegen muss. Der das total gut hinkriegt aber eben echt auch von vielem sehr angestrengt ist Und der sicher auch manchmal eine ganz schöne Wut auf mich haben muss, bei allem, dass er mir diese Erfahrung ja auch wünscht und gönnt.

Meine Kolleg*innen in der TS, die jetzt den Laden allein schmeißen müssen, während ich mir anscheinend hier in Afrika ein schönes Leben mache…

meine Klient*innen, die die Arbeit mit mir gerade vermissen, (obwohl ich ja tatsächlich gestern eine erste sehr bewegende Zoom Sitzung gemacht habe und die der analogen Präsenz an Intensität an nichts nachstand)

Und ich spüre auch über 6000 km hinweg, wie ich vermutlich auch bei Euch, die ihr das lest,  eine riesige Projektionsfläche werde für alle möglichen Gefühle. Mitgefühl, Staunen und Freude, aber eben auch Neid, Ärger, Wut und Enttäuschung. Und irgendwie schwinge ich mit. Und manchmal trifft es mich und rührt an meine innere Erlaubnis, es genau so zu machen, wie ich es mache. Und dann macht es in mir ein Schuldgefühl-Heimweh, wenn ich es mal so nennen will. Weil ich Euch das zumute. Und weil ich es genieße, diese Erfahrung machen zu dürfen. Und weil ich dankbar bin, dass Ihr mich darin sein lasst und letztendlich auch mittragt. Glücklicherweise lässt das Schuldgefühl meinem Arbeitgeber gegenüber so langsam nach. Denn ich studiere. Das Leben, die Fremde,  mich, und Theologie in vielen Facetten (und in Hamburg, aber über meine hochinteressante Vorlesung über den Islam erzähle ich Euch ein andermal😉)

Dämmerungsbesucher*in