
Kila kitu kinabadilika mbio – alles Ding verändert sich schnell
Meine Seele ist echt krass. Gestern schwamm ich noch in Dankbarkeit und Zuversicht, heute habe ich vor allem Sorge und könnte jeden Moment wieder in Tränen ausbrechen. (Und bin es auch mehrfach schon)
Sicherheit und Unsicherheit liegen so dicht beieinander. Und manchmal weiß ich noch nicht mal, was es ins kippen bringt.
Jetzt gerade kommt mir die Abreise von hier wie ein viel zu großer Schritt vor. Als würde ich das nie hinkriegen, das gelernte von hier in meinen Alltag umzusetzen, in der Beziehung gut für mich zu sorgen, mich auf der Arbeit gut abzugrenzen von den Gefühlen anderer Leute, und all das gleichzeitig zu regulieren, ohne auf meine bewährten Essmuster zurückzugreifen.
Ich spüre, dass da eine alte Hilflosigkeit und Überforderung in mir aufsteigt, aber gleichzeitig ist es auch eine Sorge vor der Größe der Aufgabe. Es braucht nämlich Wachsamkeit und regelmäßige Entscheidungen für oder gegen etwas. Und wenn ich mich so etwas diffus in den Nebel verliere, ist genau das dasjenige, was mir schwer fällt.
Dann reicht ein Gefühl von nicht so richtig gesehen werden, um plötzlich wieder in der Unsicherheit zu schwimmen. Dann entfaltet die Essstörung ihr ganzes Suchtpotenzial, weil ich eben in dieser generalisierten Bedürftigkeit gar nicht weiß, um was genau es mir jetzt eigentlich geht, was brauche ich denn jetzt wirklich? Gleichzeitig wehre ich Kontakt, der vermutlich hilfreich wäre, eher ab und reagiere Freundlichkeit gegenüber eher misstrauisch.
Ein blödes Dilemma, weil ich da dann eben auch nicht einfach so rauskomme.
Es scheint mir, als wäre in diesem Moment mein kluger denkender sprechender Kopf mit diesem anderen inneren Erlebniszustand nicht verbunden, deswegen kann mein Kopf auch nicht wirklich etwas für mich tun.
Vermutlich ist es gut, dass das heute passiert. Es kommen ja immer wieder auch gute Wünsche, dass es mir bald wieder gut gehen soll und ich wieder gesund werde. Und diese Wünsche sind irgendwie zweischneidige Schwerter. Denn ich bleibe mit dieser Störung weiterhin krank. Es ist eine Sucht, die ich nicht durch Abstinenz besiegen kann. Ich muss immer wieder lavieren, ich muss essen und Entscheidungen treffen, ich gehe gegen ein Gebirge von Gewohnheiten und alten Lösungsversuchen an, wo ganz oder gar nicht nicht funktioniert. Genau da drin meine erwachsene Eigenverantwortung zu finden und zu leben ist aber der schmale Grad, der immer wieder schmerzhafte bewusste Positionierungen von mir fordert. Wenn ich das wirklich tue, bleibt weniger Energie für die anderen Menschen. Und das aktiviert natürlich all die alten Ängste derjenigen, die was leisten muss, damit man sie lieb hat.
Und mir ist ja hier sehr deutlich klar geworden, dass diese tiefe Liebe zu mir selbst dadurch so schwer ist, dass ich sie verachten gelernt habe. In der Pubertät habe ich immer wieder Kämpfe mit meinem Vater geführt. Er konnte sehr cholerisch sein, aber auch über Tage und Wochen schweigen und mich ignorieren. Klärungen und Versöhnungen gab es nicht. Irgendwann war einfach alles wieder normal, ohne dass man irgendetwas miteinander ausgesprochen hätte. Das war heftig und schwer, auch wenn mich keiner körperlich misshandelt hat oder mir was böses wollte. Er konnte das wohl nicht anders. Leider konnte er mir auch nur sagen, dass er mich lieb hat, wenn er betrunken war. Diese Liebeserklärungen habe ich ihm aber nicht geglaubt, obwohl man ja sagt, dass Betrunkene und Kinder die Wahrheit sagen. Den Spruch kannte ich als 14-Jährige noch nicht. Ich fand das unendlich schwach, dass er Alkohol brauchte, um seine Gefühle ausdrücken zu können. Und natürlich habe ich ihm nicht wirklich geglaubt, sein nüchternes Verhalten war ja nicht so richtig liebevoll, irgendwie.
Aber ich habe dann gelernt, das, was ich da als Schwäche angesehen habe, zu verachten. Und ich glaube, ich verachte meine Bedürftigkeit irgendwie auch bei mir selbst. Darum ist es sehr sehr schwer, für meine früh Verletzten jüngeren inneren Anteile wirklich Verantwortung zu übernehmen, wenn diese Verachtung die Liebe auslöscht und klein macht. Dann kann in mir nicht so richtig Liebe fließen und mich auf andere Weise nähren, als ich das bisher mit Essen gemacht habe, und dann bleibt in der inneren Logik irgendwie nur die Essstörung. Ein Trost für meinen gebrochenes Herz. Ein Versuch diese Eiswüste der Verachtung irgendwie aufzuwärmen. Mit heißem Essen. Weil das Loch so groß ist, muss da auch viel rein.
Und wenn ich das aufschreibe, merke ich wie gemein und ungerecht ich mir selbst gegenüber bin. Und wie blöd diese Verknüpfung ist, die dann mich so sehr abwertet, dass meine eigene Fülle und Liebe mich nicht wirklich erreicht. So dass Sie immer einen Umweg über andere machen muss, damit ich auch was davon habe.
Es bleibt also jede Menge Arbeit offen. Es ist so ein bisschen wie mit dem christlichen Glauben: er ist ein Geschenk des Heiligen Geistes, sagt die Kirche. Wir können uns zu dem Glauben nicht einfach entschließen und dann klappt das. Das Vertrauen in Gott, das Vertrauen ins Leben, das Loslassen des alten Schmerzes und der Wunden von früher ist immer geschenkt. Ich kann das mit dem Loslassen üben, aber ich habe nicht unter meiner Kontrolle, ob es mir gelingt. Mein Nervensystem ist so flink, dass ich immer wieder gegen Windmühlen kämpfen werde. Dass ich immer wieder scheitern werde und in die alten vertrauten Muster rutsche. Und dann die Güte brauche, mir das selbst wieder zu vergeben und trotzdem das wieder neu zu versuchen.
Während ich diese Worte schreibe, schreibe ich sie auch mir. Etwas beruhigt sich ein bisschen. Ich glaube nicht, weil ich etwas wegdrücke, sondern weil sich etwas verbindet von der Arbeit meines Kopfes mit dem Erleben meines Gefühls.
Vielleicht sind diese Worte darum auch ein Liebesdienst an mir. In einem der Briefe, ich glaube es ist im jakobusbrief geht es ja darum dass man die guten Werke nicht nur erzählen sondern wirklich tun soll. Liebe wirklich üben. Das heißt ausüben. Ausüben muss ich auch gesundes Essverhalten. Denn das ist Liebe für meinen belasteten Körper.
Ich hoffe, dass wir das auch immer wieder gelingt, wenn ich in meinen Alltagsanforderungen die Verführung meiner alten Muster immer wieder an mich ran lasse. Ich hoffe, ich bekomme ein neueres, elastischeres Bild von mir, in der die Bedürftigkeit, dass nicht wissen und nicht können viel mehr zu mir gehört. In dem meine Grenzen mir selbst deutlicher sind und ich nicht auf meine kindlichen Allmachtsfantasien hereinfalle. Denn ich wünsche mir, dass ich in mir und zwischen unsdiesen Shalom finde, dem meine Sehnsucht gilt.


