TOKA PEPO – eine erste Gottesdiensterfahrung

TOKA PEPO – eine erste Gottesdiensterfahrung

17. Oktober 2023 0 Von Carmikahindo

Mein erster Sonntag, das erste Tageslicht. ich bin früh wach nach einer guten nacht in meinem Gästezimmer, dass sich als ganzes Gästehaus entpuppt. Vicky, die Verantwortliche für die Gästehäuser hat mich Samstag freundlich empfangen und auch erzählt, dass Sonntag morgen der Gottesdienst direkt auf dem Gelände stattfindet. der erste um 7 Uhr! Da bin ich noch kein Mensch und auch noch nicht in der Stimmumg zum beten. Also lieber das Gelände ein wenig erkunden, war ja Samstag abend alles stockfinster. Eigentlich will ich da nicht hin um 7 Uhr, aber bei meinem Erkundungsgang über das Gelände kommt so schöner Gesang aus der Kirche. ich bin eine Dreiviertelstunde zu spät und die Kirche ist voll Eine der beiden „Ordner“ besorgt mir einen Stuhl, so dass ich ganz hinten neben der letzten Bank sitze, anstatt mich wie zunächst gemacht auf das kleine Mäuerchen zu setzen. Ich bin dankbar, denn der Gottesdienst dauert dann noch anderthalb Stunden. Von Sieben bis viertel nach neun. Und um 10 gibt es den „späten“ Gottesdienst. Und um 14 Uhr ein Seminar für die Kinder und Jugendlichen, um sie zu besseren Menschen und Jugendlichen zu machen.

Blick auf das Kirchengebäude auf dem Gelände mit Werkstätten, Sekundarschule und vielen verschiedenen Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen in der ELCT
(Lutherische Kirche in Tansania)

Ich bin in etwa kurz vor der Predigt dazugekommen. Die hält jemand mit mindestens 4 Seiten eng getipptem Manuskript. Und er sagt das alles. Auf Suaheli. ich verstehe nicht alles, aber doch mehr als ich vorher gedacht hätte. er wiederholt sich ja auch oft genug. (der ist noch redundanter als ich) Predigtlänge 45min. das erinnert an den Kongo. Und dass der Liturg danach nochmal minutenlang zusammenfasst, was der Prediger gerade gesagt hat, erinnert auch daran… ui ui. Er ruft zum Gebet aber erzählt noch minutenlang das, wofür er danach beten will und dann betet er wie ein Besessener mit Geschrei ins Mikro, dass die schlechten Einflüsse und Geister die jungen Leute verlassen sollen…

„TOKA Pepo“ Geh Raus Geist schreit er. Die Leute haben die Arme ausgebreitet und beten, zwischendurch hört er auf und man hört die vielen gemurmelten Gebete der Menschen. Ich kann mich kaum konzentrieren und muss mir beim Geschrei die Ohren zuhalten – und der Liturg ist der Leiter der Einrichtung, oi – dann ruft er diejenigen nach vorne, die sich belastet und beschwert im Leben fühlen. Viele vor allem junge Leute kommen nach vorne und er bebetet sie noch einmal laut und heftig, eine junge Frau verfällt in Schluchzen. Glücklicherweise geht eine Frau aus der Gemeinde nach vorn und stabilisiert sie durch eine sanfte Berührung im Rücken. Ein anderer junger Kerl ist im weiteren Verlauf auch sehr mitgenommen. Die Frau holt ihn durch eine Handauflegung auf der Schulter aus der Dissoziation und er beruhigt sich ein wenig.

Ich bin befremdet und denke, ok, das ist jetzt für mich nicht das, was ich in einem lutherischen Gottesdienst einer doch durchaus eher mainstream kirche erwartet hätte. Und ich weiß natürlich nicht, ob das die Regel oder die Ausnahme war. Weil eben Gottesdienst mit Fokus auf Kindern und Jugendlichen und guter Elternschaft und so… und gleichzeitig seh ich viele frohe Gesichter, als die Leute auf ihre Plätze zurückkehren. Diese mächtige Schau kann mit genug Glauben eine sehr mächtige Intervention sein. Auch wenn es für mich eher in die Kategorie Retraumatisierung als Traumalösung fällt. Aber das könnte auch an meinem cholerischen Vater und meinen eigenen Erfahrungen liegen. Nein ernsthaft, dass jemand so mit Vollmacht und Kraft betet und den Menschen das erlebte Leid dadurch abnimmt, vielleicht ist das gut für die Herzen der Menschen. Eine andere Variante von Befreiung von LEbenslasten. ich kann es gar nicht einschätzen. Doch bin gespannt, ob diese Form der Geistervertreibung hier regelmäßige Praxis ist oder eine Spezialität dieses Pfarrkollegen…

Beim Kollektesammeln geht man in Prozession nach vorne und bringt seine Gaben mit. Der Chor singt einen Titel „Jesus hat Dein Gebet beantwortet“ und die Leute werden mehrfach aufgefordert, etwas in die zu Körbe legen: erstmal für die Jugendarbeit, dann sollen diejenigen, die Gott besonders um etwas bitten nochmal nachlegen, dann diejenigen, die dankbar sind – wieder viele der Jugendlichen von vorher. Dann diejenigen, die ihren normalen Beitrag geben – für die Gemeindeglieder mit Tütchen, damit es für die zugesagten Beiträge gezählt wird und auch da sind die Ordner immer wieder sehr präsent und machen nach meinem Eindruck ganz schön Druck auf die Gemeinde. Kirchensteuer ist auch was Schönes…

Den Block mit der Begrüßung von Gästen habe ich wohl verpasst, insofern gibt es nur ganz viele neugierige Blicke, aber keiner weiß, wer die dicke weiße Frau ist. Vicky ist da, erkennt mich und freut sich. die Kinder schauen mich mit großen augen an, einige flirten ein wenig. Dann gibt es Segen und Auszug der ganzen Gemeinde. Doch da geht nicht jeder gleich heim, sondern alle stehen auf dem Platz vor der Kirche und die Naturalien werden versteigert, so dass sich Bananen, Eier und eine Flasche Milch in Kollektengeld verwandeln…

Zum Gottesdienst in Makumira will ich dann im Anschluss für einen ersten Eindruck vom Campus aufbrechen, mit kalkulierter Verspätung, weil ich ja zwischendurch auch noch frühstücken will. Da ich noch nichts zu essen habe, gehe ich dafür ins Tanz Hands, das Café auf dem Gelände. Dann nehme ich ein Dala Dala, einen notorisch überfüllten Kleinbus nach Makumira, das sind glücklicherweise keine zehn minuten, Doch dort ist schon alles rum, Bei Beginn um 10 Uhr sind sie dort schon um kurz nach 11 fertig… und es gibt Security am Tor, da kommt nicht jeder so rein. ich dann doch, aber das ist eine andere Geschichte.

Merke: Entlastung von Leid hat viele Gesichter und Unigottesdienste dauern kürzer

Ich bin mal gespannt, was mich noch so erwartet.

Auf dem Campus der Tumaini University sind die Wege lang und derzeit
mit lila Blüten der Jacaranda Bäume beregnet.