Uvumilivu na subira – Ausdauer und Geduld…

Uvumilivu na subira – Ausdauer und Geduld…

24. Oktober 2023 0 Von Carmikahindo

geschrieben am letzten Freitag, den 20.10.

Bei den Menschen sein möchte ich, lernen, wie sie ihr Leben leben, was ihnen wichtig ist und wie sie mit dem Leben und miteinander umgehen. Ich möchte nicht wie ein Tourist hier durchfliegen und mal gucken und aufhören, wo die Fülle, die Lebendigkeit und die Fremdheit mich überwältigt, mich irritiert oder einfach komisch riecht.

Gleichzeitig bleibe ich ein Mgeni – ein Fremder oder Gast im Leben der Menschen hier. Dessen Leben das Ihre in aller Oberflächlichkeit für eine Zeit berührt und dann in verschiedenen Welten weiter geht.

Dylan, Vicky´s viereinhalbjähriger Sohn ziehlt mit einem Flaschengewehr auf mich

Ich will Einblicke bekommen und gewähren. In meine Welt, mein Denken und Fühlen. Ich merke, wie ich hier sehr angstfrei das Herz auf der Zunge trage. Ich erzähle von meinen Ängsten und Hoffnungen und zeige mich, wie das vermutlich die meisten Gäste/Fremden nicht tun. ich bringe weder Projektgeld noch irgendwelchen Einfluss oder eigene Macht mit, sondern nur mich. Doch weil ich mich so zeige, scheint mir, werde ich für die Menschen hier durchaus anschlussfähig. Und ich lache viel, mit den Menschen über mich selbst, über das Leben und über sie. Und solange es dabei ein Gefühl von Verbindung gibt, ist das nicht gegeneinander sondern zutiefst miteinander. Ich schütze mich wenig. und fühle mich inzwischen größtenteils sicher.

Donnerstag war ein schwieriger Tag. Einerseits ist so viel schönes passiert und gleichzeitig war ich irgendwann so gefangen in mir selbst. Die Nacht davor ist schwierig gewesen. Mitten in der Nacht bin ich aufgewacht, ein wenig unruhig und ein wenig ängstlich, abends war das Licht (auch meine Solarfunzeln) ausgegangen und ich bin früh und bei völliger Finsternis ins Bett gegangen. Und dann mitten in der Nacht war wohl der Strom zurückgekommen, ein wenig Wind hat die Vorhänge bewegt, es waren mehr Schatten da (weil draussen auch Lampen brannten) und ich habe gemerkt, dass die Fremdheit nachts noch mal näher rückt…. Irgendwann bin ich wieder eingeschlafen, aber der Tag begann so müde und etwas verunsichert.

Ich habe nochmal versucht, einen Uniprofessor zu erreichen, aber der hat meine Nachricht auf Whatsapp nicht gelesen, obwohl sie zwei Häkchen hatte (ist eigentlich doof für die eigenen Erwartungen, diese Einstellung, ob jemand die Nachricht gesehen hat oder nicht).

Webervogelkolonie im Abendlicht

Ich habe parallel Kontakt aufgenommen zu Sarah, die arbeitet als Mitarbeiterin bei dem Verein meines Studienfreundes Philip, der im Massailand eine Schule aufgebaut hat und die ich gern kennenlernen  würde. (www.massai.org) Sie hat sich irgendwann im Laufe des Tages aus dem Urlaub gemeldet und so hatte ich ein Feedback, dass wir später miteinander was ausmachen. Doch dieses Schweigen der Uni macht mich zunehmend fertig. Ja, das Semester fängt erst nächste Woche an. Ja, die haben bestimmt jede Menge zu tun. Aber diese völlige Abwesenheit von Antworten seit fast 6 Monaten trifft auf eine Seite in mir, die sich dadurch entwertet und herabgewürdigt fühlt (ich bin denen noch nicht mal eine Antwort wert) und obwohl ich versuche, im Vertrauen in der Zuversicht zu bleiben, dass sich bei Semesterstart nächste Woche alles irgendwie fügen wird, wächst auch der Frust und die Wut in mir, dass man mich so behandelt. Als ich gestern Abend die Zusammenhänge gesehen habe mit einer alten Erfahrung, wo mich ein Mensch ohne Antwort „am langen Arm hat verhungern lassen“ ist mir klar geworden, dass da auch ein alter Schmerz sich meldet.

Und dass das Traurigkeit und Wut und Hilflosigkeit auslöst, weil ich weder planen noch gut für mich sorgen kann. Und gleichzeitig merke ich heute morgen, wie es mir auch Freiheit gibt, oder wie mein weises Patenkind mir heute morgen sagte: vielleicht ist es einfach gar nicht die Uni. Vielleicht ist Dein Platz da im Café, mit den Gästen und den Menschen, die da arbeiten, in den Begegnungen und in dem, was Du an Talenten mitbringst, mit Menschen in Kontakt zu gehen, Seelsorge als Leibsorge mit leckeren Gerichten zu betreiben… Das hat schon etwas zum Klingen gebracht in mir. Und erklärt mir vielleicht auch, warum ich heute nacht zwei Stunden lang wach gelegen habe und über einkochbare europäerkompatible Gerichte nachgedacht habe, die die Speisekarte im Café und im Gästehaus bereichern könnten. Und natürlich hab ich nach diesem üblen Tag heute morgen zum ersten Mal eine Mail von der Dean der theologischen Fakultät an der Uni bekommen, dass ich herzlich willkommen bin, am Montag alle Fragen miteinander zu besprechen. Und vielleicht ist das insgesamt auch eine Einladung, mir die Freiheit  zu nehmen, das hier alles so zu gestalten, wie es sich für mich gut anfühlt. Vielleicht ist das dann ein Unitag oder zwei die Woche oder so… ich weiß es doch auch noch nicht. Aber dass ich in dem Prozess offen sein will, für das, wo sich ein Weg zeigt, das weiß ich. (und Judith meinte auch noch: wenn sie sich nicht melden, dann haben sie dich auch nicht verdient 😉)

Der Mount Meru heute mal ganz sichtbar auf dem Campusgelände

Denn ich hab gestern auch eine sehr nette junge Frau kennen gelernt, mit der ich hoffentlich manches erleben und lernen kann. Giveness ist 32 und Lehrerin an der internationalen Schule hier in Usa. Sie unterrichtet internationale Schüler*innen und lehrt sie unter anderem Kiswahili. Sie hat mich in den letzten Tagen  schon mehrfach im Café gesehen und gestern angesprochen. Wir sind sofort in einen herzlichen Kontakt gekommen und sie freut sich, wenn ich zu ihr nach Hause komme und europäisch koche und ich freue mich, dass sie mir vielleicht noch mehr die grammatikalischen Unschärfen in der Sprache austreiben und mein Vokabular erweitern kann… wir haben Nummern ausgetauscht und ich bin gespannt, was sich da so entwickelt. Ich bin gut 20 Jahre älter und somit eher ihre Tante als ihre ältere Schwester, afrikanisch gedacht. Ich kann noch nicht einschätzen, ob das die afrikanische Variante von rheinischem Gerede ist, oder ob da wirkliche Begegnung möglich ist. Aber ich hab Interesse auch an solchen Leuten, die navigieren zwischen traditionellen tansanischen Gewohnheiten und dem modernen Leben, das ja auch vor Afrika nicht Halt macht. Wie verändern TV, Telefone und Smartphones das Leben und die Verbindungen hier? Vor fast 30 Jahren gab es im Kongo nix dergleichen, man musste zueinander gehen, wenn man einander treffen wollte, konnte weder etwas verabreden noch sich mal kurz absprechen. Heute haben viele ein Smartphone und per whatsapp ist eine bestimmte Form von Kontakt ganz leicht. Was tut sich da in Punkto Verbundenheit? Wie ändert sich das Kommunikationsverhalten? da tun sich Herausforderungen auf, die ich aus meinem Kontext und aus meinen eigenen Gewohnheiten kenne. Auch hier sehe ich gesenkte Köpfe über kleinen Bildschirmen, ganz ähnlich wie bei uns.

Junge Frau mit Handy- gar nicht so einfach bei der Sonneneinstrahlung

Ich bin jedenfalls nach fast einer Woche ein wenig mehr angekommen. Die vielen Eindrücke wuseln in mir rum, gleichzeitig gibt es eine Seite in mir, die mir vorwirft, ich mach doch gar nix… doch mein System ist ganz schön beschäftigt mit dem Gesamtpaket. Fühlen, sehen, in Kontakt sein, bei mir bleiben… ich übe tatsächlich, geduldig und ausdauernd zu sein. Mit mir und den Menschen in meinem Umfeld. Und so langsam trägt es Frucht in Gesprächen, die nicht nur Smalltalk sind. Und im Wachstum neuer Möglichkeiten. Heute abend koche ich mit Vicky Marmelade.