Unene na umeme – von der Schönheit dicker Frauen und den Herausforderungen der Stromlosigkeit

Unene na umeme – von der Schönheit dicker Frauen und den Herausforderungen der Stromlosigkeit

29. Oktober 2023 0 Von Carmikahindo

Freitag der 27.10. (und dann heute irgendwann weiter…)

guten Morgen, ich bin ganz schön platt heute, weil ich heute nacht mal wieder vom plötzlich zurückkehrenden Strom und dem nicht ausgeschalteten Flurlicht um halb zwei geweckt wurde und dann für fast 3 Stunden nicht mehr einschlafen konnte. Ich war ganz froh um den Strom, weil ich abends meinen ersten Sauerteigbrotlaib mit beiden Händen geknetet habe und er mit der Restkühle im Kühlschrank zu warm stand. Jetzt könnte vielleicht doch noch die lange kalte Gare gelingen, die mein Weizensauerteigbrot so lecker macht…

Nach dem schweißtreibenden Teigkneten habe ich abends mit dem Kochteam des Gästehauses (Vicky, Happiness, Hilda und Mary) amerikanische Pfannkuchen gebacken, das wollten die Damen lernen, damit sie am nächsten Morgen das Frühstück des deutschen Ärzteteams des Projekts FEUERKINDER damit aufwerten könnten. Klar hatte ich mir auf Chefkoch ein Rezept rausgesucht, aber gemacht haben wir es dann doch so, wie es mit den vorhandenen Zutaten ging und sie sind super geworden. Jetzt muss ich ihnen das Rezept nur noch auf Suaheli aufschreiben für das Carmikochbuch, was wir hier anlegen wollen, damit das Wissen nicht verloren geht, wie man dieses oder jenes zubereitet.  (Link Rezept folgt)

So, es geht gegen 8 Uhr, so langsam hat der Backofen die nötige Temperatur… und dann ist schwupps der Strom (Umeme) wieder weg… was nun? Der Brotteig hält auf keinen Fall bis heute abend durch. Wie gut hätte ich heute nacht, als er wieder kam und ich nicht einschlafen konnte, den Backofen in der Küche im Gästehaus nutzen können. Aber dafür hab ich natürlich keinen Schlüssel.

 Der Strom ist nämlich immer entweder tagsüber oder abends/bzw. Nachts für einige Stunden weg. (Außer letztes Wochenende, aber da war in Arusha eine große Konferenz mit Besuch der tansanischen Präsidentin, da ging es vier Tage ohne Strom-Cuts) Ansonsten ist er abwechselnd  in den einzelnen Stadtteilen in der Umgebung von Arusha mal da und mal weg. Unsere Seite hatte gestern Strom, dafür hatte Sarah, die Mitarbeiterin in Massai Projekt auf der anderen Seite von Arusha gestern, als wir tagsüber telefonierten, keinen, vermutlich ist es heute umgekehrt. Die Präsidentin ist ja wieder weg, also Business as usual, so geht Stromsparen auch… Keine Ahnung, wie viele eher empfindliche Elektrogeräte diese Politik schon auf dem Gewissen hat.

Die Ladies suchen Lösungen und schlagen vor, den Gasbackofen in einem derzeit unbewohnten Haus zu nutzen. Happiness geht rüber, um ihn vorzuheizen, und wir schieben das kleinere Brot zum Ausprobieren in den gerade stromlosen aber noch heißen Backofen, um zu schauen, ob das was bringt.

Nachdem wir den Ofen vorgeheizt haben, packen wir beide Brote hinein und legen unten sicherheitshalber ein Backblech dazu, damit das Brot von unten nicht zu viel Hitze bekommt und wir auch noch Dampf einsetzen können. Ich habe keine Ahnung von der Temperatur, die Anzeigen des Ofens sind inzwischen nicht mehr lesbar weggeschrubbt und so geht es mit Mut, Gottvertrauen und Improvisationstalent. Nach einer guten Stunde ist die untere Seite super, aber oben ist es doch sehr blässlich. Da die Oberhitze des Grills sich nicht entzünden lässt, drehen wir die Brote kurzerhand noch für knapp 10 Minuten auf den Bauch. Und siehe da, es ist zwar leicht übergart, ein bißchen auseinander gelaufen und etwas blass, aber es ist eindeutig ein richtiges Weizensauerteigbrot. Hongera – Herzlichen Glückwunsch, jetzt muss es nur noch abkühlen, um es zu probieren.

Ich werde mehr und mehr mit den Mamas in der Küche des Gästehauses warm. Sie freuen sich an mir und sind vermutlich Weißnasen, die sich so unverschämt und interessiert auf sie einlassen nicht wirklich gewohnt. Mir scheint, die Dinge, die wir als Zuschreibungen so übereinander im Kopf haben, verhindern in der Regel einen tieferen Kontakt. Ich bin derzeit aber mit ganz offenem Herzen hier und neugierig und hab das Gefühl, ich schwinge in einer ähnlichen Frequenz. Wir haben sehr viel Freude aneinander. Und so entsteht eine größere Nähe. Beim Quatschen und beim Kochen. Und ich erlebe mit Freuden, wie ich von dem, was die Ladies kochen zum Probieren gereicht bekomme und wie Happiness mich fasziniert anschaut, wenn ich rausschmecke, welche Gewürze und Gemüse sie für den Pilau Reis oder die Gemüsesuppe verwendet hat.

Und wenn ich dann einen Namen bekomme, fühle ich mich sehr verbunden, Sie nennen mich Mrembo (Schönheit) und Mary ist neidisch auf meinen wohlgeformt ausladenden Hintern. Wenn ich dann noch damit wackle und einen kleinen Tanz hinlege, wie es mir schon mal passiert, liegen die vier vor Lachen fast am Boden. Und es ist wunderbar, dass ich selbst über meinen dicken Hintern spotte und sie mit mir darüber lachen…

ich habe gelernt, dass  man solch ein Körperteil hier WOWOWO nennt (von WOW!) und dass es zu den Schönheitsidealen zählt, damit gesegnet zu sein. Meine Körperfülle däut auch alle möglichen anderen Leute (auch wenn ich nur auf der Straße an ihnen vorbeigehe)  zu Ausrufen des Erstaunens.  Zu dem Rat, dünner zu werden oder zu einem großen Lachen. Und ich kann das alles sehr gut nehmen, weil es ja stimmt und weil es ohne jede Abwertung oder Boshaftigkeit ausgesprochen wird. Es sind ja nicht die Worte an sich, sondern die Bewertungen dahinter, die verletzen können. Menschen sprechen hier das Offensichtliche an. Auch dass ich im Vergleich zu ihnen sehr reich bin. Und dass es doch super wäre, wenn ich ihnen unter die Arme greifen würde.

Beim Geld hört ja in Deutschland die Freundschaft auf und es ist ganz schön unangenehm, auf diese Ungleichheit, die ja auch aufgrund von riesigen und historischen Ungerechtigkeiten so gewachsen ist, so klar und deutlich hingewiesen zu werden. Doch gleichzeitig ist es ok, wenn ich nicht jedem helfe. Denn dazu gibt es viel zu viele Menschen, die Hilfe brauchen könnten. und wenn ich dabei nicht in Not gerate und mich verteidige sondern einfach NEin sage, ist das auch keine große Sache für die Leute. Aber man kann es ja mal versuchen. Vielleicht hilft es für das eigene schlechte Gewissen es genau so zu machen. immer wieder neu zu schauen, Der alten Dame im Supermarkt ein Münze zuzustecken und den Kochmamas im Café eine Handvoll Tomaten und Zwiebeln mitzubringen, damit sie sich für ihren Ugali Maisbrei eine Beilage kochen können und nicht Maisbrei mit Milch essen müssen, wenn es keine Beilage gibt. und an anderen Stellen deutlich zu sagen, dass man es nicht schön findet, als vollkommen Fremder um Geld angepumpt zu werden. Wenn die Zuschreibungen wie man glaubt, dass etwas ist oder sein sollte aufhören, werde ich frei, zu beschreiben was ist, was ich erlebe und was ich kann und will. und das tut gar nicht weh, weil es nicht mit den erwarteten Bewertungen aufgeladen ist. Kommt mir zumindestens so vor.

Mit meinem Brot hab ich übrigens dann Freitag noch ein Tasting veranstaltet mit allen möglichen Leuten, damit sie mir sagen können, ob jemand das Rezept lernen will. Es kam gut an. Falls das nicht nur höflichkeit war, gehen die Backversuche wohl weiter… (wenn denn die Umeme da ist und ich nicht zu müde zum Kneten bin)