Uchangamfu na uchovu – Lebendigkeit und Müdigkeit

Uchangamfu na uchovu – Lebendigkeit und Müdigkeit

7. November 2023 1 Von Carmikahindo

Sonntag, 05.11.2023

Ich merke gerade, ich muss auf mich aufpassen. Ich gerate gerade in so eine Begeisterungsspirale,  die dazu führt das 1000 Ideen in mir sprudeln und ich sie am liebsten alle verwirklichen würde. Es ist nichts mehr mit einfach nur da sein sondern ich werde aktiv und das an ganz verschiedenen Stellen, mit ganz verschiedenen Menschen.

Letzten Dienstag war ich in Moshi,  dort hat die ELCT, die lutherische Kirche in Tansania seit über 50 Jahren ein Seelsorgeinstitut an einem riesigen Krankenhaus. Das Krankenhaus ist ebenfalls in kirchlicher Trägerschaft. Klaus, der Tansania Referent von Mission eine Welt, der die Woche vorher hier im Zentrum war (er ist der ehemalige Leiter des Zentrum, fühlt sich hier zu Hause und kommt auf seinen Dienstreisen immer gern hierher, wenn er in der Gegend zu tun hat) hat mir davon erzählt und mir den Namen des Verantwortlichen genannt inklusive Telefonnummer. Und da ich mir so langsam ein Studium an der Uni in Makumira abgeschminkt habe, weil der Kontakt weiterhin sehr zäh  ist und ich mich nicht weiter bemühen möchte, habe ich mich entschieden mit dem Flow zu gehen und zu schauen wo sich Türen öffnen. Archibold Lyimo, der Direktor des CPE  am KCMC Moshi, einem riesigen Krankenhaus mit fast 1000 Betten in der Stadt am Kilimandscharo, hat mich interessiert willkommen geheißen und wir haben uns für letzten Dienstag verabredet. Ich bin dann morgens sehr früh hier aufgebrochen und mit dem Costa Bus nach Moshi gefahren. Am Busbahnhof hat mich direkt jemand mit in ein Bajaji genommen, der mitbekommen hatte, dass ich zum KCMC will und der auch zum Krankenhaus fuhr Er hat mich dann direkt bei den Seelsorgern abgeliefert. Die Menschen hier sind so freundlich und so verbindlich, das ist unsereinem manchmal fast schon unangenehm ist.

Beschnupperungen

In aller  Ungewissheit meiner Gastgeber, was ich denn jetzt will sind wir trotzdem sehr gut in Kontakt gekommen und haben viel miteinander gesprochen. Und das obwohl ich mit meinem Lila Collar Hemd die Bischoffarbe getragen habe, ohne Bischof zu sein 😉 ich hatte so ein seelsorgliches Grundgefühl in der Begegnung, Menschen die neugierig und offen sind und freundlich. Das hat mir sehr gut getan und ich fühlte mich sehr willkommen. (so wie, wenn man mit TS Menschen in Kontakt kommt! 🙂 )

Wir haben überlegt was ich einerseits bei ihnen lernen kann und gleichzeitig auch beitragen kann. Es gibt hier zweimal im Jahr ein Seelsorgerkurs von zirka viereinhalb Monaten für Pfarrer und Pfarrerinnen, sowie Diakone und Evangelisten. Die Seelsorge Azubis lernen jede Menge über die Gesprächsführung  und bereiten  sich gut vor, um dann letztlich die klinische Seelsorgeausbildung am Patienten Bett zu bekommen. Sie haben Dienst im Krankenhaus und begleiten die Kranken und ihre Familien und reflektieren ihre Erfahrungen. Jeder und jede muss 8 Verbatim Protokolle erstellen und besprechen lassen.  Die Gruppe der Lernenden ist so groß, weil der Bedarf so groß ist. Die Kirchenkreise bzw. Diözesen schicken ihre Pfarrer und Pfarrerinnen und  müssen auch für die  Ausbildung bezahlen. Weil das nicht alle Diözesen hinkriegen, werden einige Stipendien von Mission Eine Welt bezahlt. Außerdem gibt es auch Menschen aus anderen Kirchen beziehungsweise anderen Ländern Ostafrikas die die gute arbeit des CPE schätzen und ihre Mitarbeitenden dort hinschicken. Wir haben dann gemeinsam überlegt, was sehr interessant und hilfreich wäre von dem, was ich so mitbringe. Herausgekommen ist,  dass ich nächste Woche der Klasse etwas über die Arbeit des Telefonseelsorge erzähle, da sie in der Umgebung des Krankenhauses mit über 3000 studierenden,  die oft in schwierigen Verhältnissen leben, schon länger darüber nachdenken, ob es auch einen telefonischen Seelsorgedienst in ihrem Kontext geben könnte –  die Idee war in der letzten Zeit ein bisschen im Hintergrund gerutscht aber jetzt scheint es mich hätte der Himmel geschickt, um an diesem Plan weiter zu stricken. Gleichzeitig erzähle ich ein bisschen davon, dass ich hier mit den Frauen Koche und an der Uni nicht so richtig gelandet bin.

Jede Menge Aufträge…

Pfarrerin Joyceline wird direkt hellhörig und sie fragt direkt nach, ob ich nicht Lust hätte, das auch im Gästehaus der Diözese in Moshi  zu machen. Und über die Bedeutung des Körpers und der Achtsamkeit für die Seelsorge und die Auswirkungen von Entwicklungstrauma möchten sie gerne auch was lernen… und ich hab total Lust, das was ich in diesen vielen Lebensbereichen erfahren und gelernt habe auch zu teilen. Vermutlich werde ich das auch tun. Doch ich will auf mich aufpassen. Ich möchte mich nämlich weder verzetteln noch überfordern. Und meine alten Muster sind ja, dass ich das alles hinkriege und schaffe und machen muss (will). Und am besten aus eigener Kraft und ganz allein.

und was davon geht überhaupt?

 Die Frage wäre,  was wäre ein neues Muster? Wie kann ich verbunden bleiben und dabei frei und offen sein für das was wir noch begegnet? Denn das war allein in den letzten Tagen unglaublich viel, tiefe und berührende Begegnungen mit sehr spannenden Menschen und ich spüre wie die Liebe fließt. Ich will also nicht alles zubauen und verplanen. Denn dann gehe ich wieder im Weißnasen-Planungssicherheits-Muster. Und weil das alles so viel ist stürze ich dann unweigerlich irgendwann ab. Weil ich mich selbst irgendwann aus dem Blick und aus dem Gespür verliere. Wie bleibe ich liebevoll in Kontakt mit mir selbst, während ich mich im Kontakt mit den anderen bade? Und ein Bad ist es,  denn ich erlebe diese Verbundenheit mit den Menschen  gerade unglaublich heilsam und schön. Fange ich jetzt wieder an etwas für die zu müssen, damit ich’s auch verdiene? Wie kann ich einfach nur da bleiben und offen sein? Mich nicht im Tempo und machen müssen verstricken?

Hilfe aus dem inneren Team

Vor meinem inneren Auge sehe ich meinen lieben Kollegen Ulrich leise lächelnd den Kopf schütteln und vermutlich macht er sich auch ein bisschen Sorgen, weil ich gerade so hoch drehe und dabei in die Gefahr geraten, einen riesen Anspruch an mich selbst aufzubauen was ich denn alles tun und schaffen müsste. Und dieser innere Ulrich hilft mir dabei, erst mal noch mal durchzuatmen und besser hinzuspüren, was Verführung ist,  was passend ist und was altes Muster ist.

Sendepausen?

Und ich merke dass es auch bedeuten kann, mal aufzuhören alles festhalten und schreiben zu wollen und teilen zu wollen. Gleichzeitig tut es mir gut, all dem,  was ich erlebe, Worte zu geben. Nur ist es eben so viel und so intensiv hier. So vieles folgt so dicht aufeinander, dass ich kaum nachkomme. Es scheint, als gäbe es irgendwie eine innere Verpflichtung (die wahrscheinlich überhaupt nicht gesund ist), ich muss es teilen, auch um es erleben zu dürfen. Und während ich das so aus spreche und aufschreibe, wird mir deutlich, wie sehr das doch Blödsinn ist.

Weise Worte von Außen helfen…

Mein kluges Patenkind hat in ihrer Resonanz vermutet, dass ich hier so meine Kraft sein kann, weil ich ja hier nichts habe und muss und bedeute,  kein Status, keine Funktion. Ja ich bin nur für mich hier, kann mich zeigen, wie ich bin und erlebe genau dadurch, dass ich das tue, die Liebe der Menschen,  die mich ins Herz schließen. Und je länger ich hier bin, desto mehr schließe ich sie auch ins Herz. Und da winken die alten Muster. Vielleicht geht es darum,  eben nicht alles alleine zu machen sondern mir Verbündete zu suchen, die mit mir abchecken was denn wirklich verwirklichbar ist. Und die sich einbringen damit dann auch was davon gelingt. Und mit Selbstfürsorge eine gute Mischung aus Planung und Geschehenlassen zu finden, bei der ich gesund und fröhlich bleibe. Denn Lebendigkeit und Fröhlichkeit sind  auf Swahili das gleiche Wort: uchangamfu!