
Mwanga na kivuli juu ya Nafsi – Licht und Schatten auf der Seele
10.11.2023
Voll das Leben
Ich fahre gern Achterbahn. das Gefühl im Bauch, wenn die Richtung wechselt und es nur geht, sich einfach vertrauensvoll (und kreischend) dem Gefährt anzuvertrauen und zu hoffen, dass der TÜV gut genug kontrolliert hat, bereitet mir großen Lustgewinn. Außer ich hab vorher zuviel gegessen. Oder ich passe gar nicht hinter den Sicherheitsbügel. Alles schon passiert. Doch ich kann Achterbahn auch ganz ohne große Kirmes, das geht dann sogar ohne viel Bewegung. Die ist dann innen. Aber mindestens genau so stürmisch und immer wieder verunsichernd. Die fremde Umgebung wirkt manchmal wie ein Brennglas. Die mir gewohnten Handlungsweisen passen nicht so richtig. Und ich weiß noch nicht so genau, was hier in diesem Kontext passt, Meine innere Seite, die es gern allen recht machen möchte, kommt dabei ganz schön ins Schleudern. Ist ganz schön schwierig, wenn man den Code nicht kennt, der für die anderen selbstverständlicher Teil der Textur ihres Lebens ist.
Einfach da sein, richtig da…
Nach nun über drei Wochen bewege ich mich mit immer größerer Sicherheit, ich geniesse es, so viel freie Zeit zu haben, dass ich immer mal wieder über das Gelände schlendere, und dabei mal hier und da grüße oder eben auch unversehens in ein tieferes Gespräch rutsche.
ich bin, scheint es mir, immer noch ein Grund zum Staunen für die Leute, vielleicht auch, weil ich erzähle, wie es mir geht, wenn man mich fragt, auch wenn das nicht so gut ist.
Das wäre dann nicht „Wie isset? – JOOOT“ sondern mehr die Pott- und Westfalenvariante „et Muss“ inklusive der diversen dahinterliegenden Herausforderungen.
Indem ich mich so zeige, löse ich bei meinen Gesprächspartner*innen auch jede Menge aus… und sie erzählen auch von sich anders als vorher.
zwischen Grenzen und Scham
Am Dienstag haben mich die Kochladies im Gästehaus zu ihrem Morgentee eingeladen, nachdem ich vorher beim Frühstückmachen ein bißchen geholfen hatte. in den letzten Tagen bemerke ich, dass ich viel selbstverständlicher dazugehöre und die Pausengespräche den Alltag der Damen widerspiegeln, ohne dass ich das immer alles verstünde oder einbezogen würde. Für mich fühlt sich das so an, wie ein noch mehr mit hineingenommen werden in ihr Normal. Ich gehöre dazu und bin und bleibe verbunden. ich hab dann mit dem Handy ein Foto geknipst und bekam auf einmal von einer recht ärgerlich zu hören, dass ich das gefällgst lassen soll. und das war ein Auslöser einer heftigen Reaktion in mir. ich hab mich einerseits total gefreut, dass ich in meine Schranken gewiesen werde. Das war ein Zeichen dafür, dass ich nicht mehr die Weissnase bin, der man einfach zu Willen ist, sondern mir Grenzverletzungen gezeigt werden. Gleichzeitig hat mich das total in Not gebracht, weil ich mich so schlecht gefühlt habe, weil ich da Grenzen verletzt habe und mich nun über gebühr geschämt habe dafür. Es war wie eine kleine Retraumatisierung, die mich ziemlich aus der Gegenwart gehauen hat. Ich sass weiter dabei, war aber innerlich mehr damit beschäftigt, jetzt nicht in Tränen auszubrechen und rauszurennen.
Am Ende der Pause standen dann alle auf, und als nur noch Happiness im Raum war, kamen die Tränen dann doch, und ich konnte kaum erklären, was das Problem war.
Trostumarmungen
Dann habe ich die Kraft der Liebe zu spüren gekriegt. die vier Frauen waren ganz bestürzt und haben mich umringt und versucht zu trösten und versucht, mich wie ein Baby auf den Rücken zu binden, damit ich über einen mütterlichen Körperkontakt wieder in die Beruhigung komme. und dabei haben sie mir unablässig versichert, dass ich gar nichts schlimmes gemacht habe, dass ich doch zur Familie gehöre und bloß aufhören soll zu weinen. So sind dann die Tränen mit Lachen vermischt worden. Mir scheint, dass ist eine Afrikanische Variante des Umgangs mit Schmerz. Du lachst, wenn Dir zum Weinen ist. und Du suchst Verbindung. und dann geht der Schmerz schneller wieder. und wirklich hat mich das ziemlich gut wieder ins Hier und Jetzt zurückgeholt. in ein Gefühl von Zugehörigkeit und Sicherheit, was ich vorher kurz verloren hatte. Wackelig hat es mich dennoch zurück gelassen. Mir scheint, dass ich mir in der Fremde selbst begegne. Und mich durch eine andere Brille anschaue, als das im Alltag der Fall ist. Die unsicherheit in diesem Kontext wirft mich zurück auf mich und meine Muster.
Öffnungen und Entgrenzungen
Und nachdem dann wieder etwas Ruhe eingekehrt ist, hab ich mit Happiness noch ein tiefes Gespräch über den Umgang mit Schmerz geführt. und über ungewollte Kinderlosigkeit. Und darüber, wie das ist, wenn man die Tränen und den Schmerz immer drinbehält. Es ist wieder so, dass es mich in die Verbundenheit geführt hat, als ich mein Fremd- und Abgeschnittengefühl gezeigt habe. und das hat über die Kulturellen Unterschiede zu tiefer Solidarität und Verbundenheit geführt. ich bin darüber sehr dankbar und stolz auf mich, dass ich nicht ins alte Muster gefallen bin, ich verkrümel mich und halte das aus oder heule allenfalls nur mit mir selber…
auch wenn es insgesamt gerade in eine Phase der wackligen emotionalität geführt hat, War ich doch schließlich Mittwoch wieder in Moshi, diesmal 2 Stunden hin und nur 1,5 zurück, weil ich den Tip gekriegt habe, dass Abends die Fernbusse aus Dar Es Salaam um meine Rückkehrzeit auch in Moshi halten, aber dann eben nicht an jeder Milchkanne noch Kunden einwerben.

jedenfalls hab ich tagsüber einem ganzen Klassenraum voller Seelsorgeazubis etwas über die Arbeit der TelefonSeelsorge erzählt. Angefangen bei der Anzeige in London am 2.11.1953 bis hin zu den über 100 Dienststellen in Deutschland mit 7000+ Ehrenamtlichen, gut 300 Hauptamtlichen (Köpfen, nicht stellen) und 1,2 Millionen Anrufen pro Jahr.
Mwalimu wa utunzaji ya kichungaji kwenye Simu – Telefonseelsorgelehrerin
es war sehr herausfordernd für mich, das ganze auf Suaheli zu tun. Ich habe morgens im Bus noch mal Vokabeln gepaukt und alles, was ich nicht wusste, den Lehrer gefragt, der mich in der Klasse begleitet hat und ab und zu nochmal gebündelt hat, was ich versucht habe, auszudrücken. Es war dennoch am Ende der fast drei Stunden ganz schönes Gestotter und ich hatte das Gefühl, mein Hirn ist Matsch. Doch es war sehr gut, dass ich ja auch sonst sehr bildhaft spreche und dann die Dinge, die ich nicht in Fachchinesisch/fachsuaheli sagen konnte, bildhaft zu umschreiben. Nur, normalerweise versuche ich, so 10-14 Leuten gleichzeitig etwas über TS zu vermitteln. und im Ausbildungskurs (Liebe Grüße an EUCH!) lerne ich die Menschen im Lauf der Zeit ein wenig kennen und kriege ein gefühl dafür, wie die ticken und was sie so brauchen. Seelsorge in unserem Ausbildungskurs wird durch Beziehungsgestaltung gelehrt. Jetzt hier saßen mir aber über 40 Pfarrer*innen, Diakone und Evangelisten gegenüber. Die sind außerdem Frontalunterricht und Wissensvermittlung gewohnt. und leben in Situationen, von denen ich keine Ahnung habe, weil sie ja aus ganz Tansania zu diesem Kurs gekommen sind.
Rückmeldeschleifen?
Alle sehr brav, und viele auch sehr aufmerksam… aber es gab kaum Feedback oder Fragen. und wenn, dann Fragen, die sich eher mit der Technik befassen (wie macht man TelefonSeelsorge, wenn es Regionen gibt, wo es kein Netz gibt, oder Menschen ohne Telefon… ) Die Gesichter waren freundlich, es gab ein paar Momente, wo es gemeinsames Lachen gab oder verstehndes Nicken… aber sonst? Keine Ahnung ob meine Ausführung darüber, was wir in der Ausbildung mit Ehrenamtlichen machen, für die Leute in irgend einer Weise hilfreich oder anregend war.

Aber auch da hilft Gottvertrauen, sie werden sich schon das rauspicken, was für sie hilfreich werden kann. und ansonsten hatten sie mal jemand externes zu Besuch.

seit ich aus Moshi zurück bin, bin ich jedenfalls total platt. vielleicht ist die Fülle der Eindrücke dann doch irgendwann zuviel. und das bringt mich in die nächste Zwickmühle.
es ist irgendwie immer der Gärtner…
ich merke nämlich am Donnerstag, wie müde und ausgelaugt ich bin. Dabei will ich doch Freitag abend nach Tengeru, um mit den LEuten vom Massaiprojekt aufs Land zu fahren http://www.massai.org ins 350 km Entfernte Örtchen Malambo, am Rand der Serengeti in der Steppe. und das ist eine Reise voll ins Ungewisse: ich kenne meine Mitfahrenden nicht, weiß nicht genau, wie und wo ich dort wohne, was mich erwartet und wie viele Eindrücke da schon wieder auf mich zukommen. und wann ich zurück eine Mitfahrgelegenheit bekomme, ist auch noch afrikanisch offen. Vermutlich Mittwoch. Aber so genau weiss das noch keiner…
und gestern abend dachte ich, das ist jetzt zu viel Ungewissheit auf einmal, das packe ich nicht. und gleichzeitig war da das Gefühl, ich will aber doch, und wer weiss, ob und wann das sonst nochmal möglich sein wird… Scheißkackzwickmühle. Dazu noch ein bißchen wenig Liebstenkontakt, schon ist die nächste Runde Achterbahn perfekt. Dann noch zum Frühstück ein bißchen Deutschen befindlichkeitspop und ein Austausch mit B. und schwupps, laufen die Tränen schon wieder. und dann steht der Gärtner vor mir. und weiss gar nicht, was los ist. und selbst, als ich versuche, ihm meine Befindlichkeit irgendwie zu erklären, schaut er sehr ratlos, lacht und meint, wenn er eine Europäerin heiraten würde, würde er echt PRobleme kriegen. die Frau vielleicht auch…

JA, und es ist echt nicht leicht, eine Weißnase (oder einfach nur ich ) zu sein… Die Kochladies waren jeden Fall schon in Sorge um mich weil ich nicht wie abgesprochen zum Tee gekommen bin und haben ein bißchen mehr verstanden. und mir erzählt, dass Weinen für die meisten Tansanier eher bedrohlich ist, weil sie dann nicht wissen, was sie tun sollen. Da sind sie ja nicht allein mit. und ich sage, ich bin froh, dass ich Weine, damit ich dann wieder lachen kann. und das tun wir dann auch. und Kochen tun wir auch. und lebendig sein. und morgen fahre ich in die Steppe.

Wünscht mir Vertrauen und einen guten Weg… ich soll feste Schuhe mitnehmen, damit mich abends nicht irgend welches Getier zwickt… nun denn…