
paneli ya mbao ya multiplex- die Sache mit der Multiplexplatte
Kennt ihr Multiplexplatten? Das sind diese Holzwerkstoffplatten, die aus ganz vielen verschiedenen Schichten so zusammengeleimt sind, dass sie am Ende super stabil sind und man oben eine glatte Oberfläche hat.
Im Anschnitt sieht man die verschiedenen Schichten. es gibt das sogar in super toll und Regenbogenfarben (siehe Beitragsbild)
Wenn man z.b eine Holzarbeitsplatte in der Küche hat, die aus Multiplex gebaut ist, ist das sehr widerstandsfähig und man sieht von vorne, wie hübsch das Innenleben ist.
Wie ich drauf komme? Ich wollte erst den Blätterteig als Beispiel nehmen, aber ich will mir ja das mit der Essensfixierung gerade abgewöhnen, darum ist das ein gutes Beispiel für meine diversen Persönlichkeitsanteile und Muster. Im Gegensatz zur klassischen Multiplexplatte sind die allerdings nicht so gerade und deutlich voneinander zu trennen sondern an manchen Stellen verklebt an manchen eher locker. Im Endprodukt „ganze Carmen“ sind diese Schichten miteinander fest verbunden unter viel Druck entstanden. Die halten das System aufrecht.
Ich fühle mich ein bisschen wie die Regenbogenplatte oben. Es gibt unendlich viele bunte Farben in mir, jede Menge Ressourcen und Bewältigungsstrategien für mein Leben und viele Schichten und Facetten, für die ich sehr sehr dankbar bin. Aber zwischen all diesem gewachsenen Reichtum gibt es immer wieder Schichten und Muster, die zwar irgendwann super wichtig waren, aber heute dysfunktional sind. Als wäre da in der Platte eine Schicht mit der Zeit faul geworden oder hätte Löcher bekommen, nur man kommt halt irgendwie überhaupt nicht dran.
Oder als hätte der Schreiner beim verleimen einen falschen Kleber angerührt. Der ist zwar bombenfest, aber schädigt langfristig die ganzen schönen Holzschichten. In meinem Fall quillt er wohl auf… 😉. Und das kriegt man da jetzt nicht so leicht wieder auseinander, weil der Kleber überall sitzt mit den vielen bunten Holzschichten verbacken ist. Wie kriegt man also den Kleber „geheilt“, ohne das Ganze rabiat auseinanderzunehmen?



Ein bisschen funktioniert ja unser Gehirn und unser Nervensystem so. Durch unsere Erfahrungen, vor allem die Erfahrungen, die wir wiederholt machen, werden neuronale Muster angelegt. Dabei werden manchmal Dinge miteinander verknüpft, die nur in unserer individuellen Erfahrung miteinander Sinn machen. So wie bei mir das Thema Liebe und Geborgenheit und Sicherheit sehr stark mit dem Essen verbunden ist. Und das Thema Wut und Aggression, vor allem auch, wenn und weil sie nach außen gehemmt ist, ebenfalls mit dem Essen verbunden ist. Und für die Vermeidung von Angstgefühlen, die ich zu einem sehr frühen Zeitpunkt in meinem Leben ganz aus meinem Erleben verbannt habe, ebenfalls das Über-Essen als Deckelung dient. Wenn ich jetzt also das mit dem Über-Essen gar nicht mehr mache, dann kann es sein, dass ich meiner Einsamkeit und Liebes- Sehnsucht, meiner Wut oder meiner Angst begegne. Weil diese Gefühle aber lange sehr weggepackt waren, fühlt sich das extrem gefährlich an. Als würde die Stabilität komplett verloren gehen. Bildlich gesprochen sind diese Verknüpfungen von Gefühlen und (Über)Essen der Leim, der die vielen Muster und Facetten zusammenhält…
Alles ist mit allem verbunden und ganz schwer voneinander zu lösen. Die Gefühle sind erstmal immer echt und individuell wahr. Allerdings ist unsere Kapazität, diese Gefühle zu halten und zu regulieren sehr unterschiedlich entwickelt. Und nicht alle Gefühle sind Reaktionen auf das Hier und Jetzt, sondern manche entstanden in früheren Notfallsituationen, und werden jetzt abgerufen, obwohl es im Hier und Jetzt gar keinen Notfall gibt. Auch dieses Gefühl: „hier ist es gerade gefährlich“ ist also gar nicht unbedingt gegenwartsbezogen. Fühlt sich aber in meinem Inneren trotzdem so an.
In meinem Denken weiß ich, dass dieses Gefühl zwar echt ist, aber nicht aus der Gegenwart stammt. Aber wenn das Gefühl aufwallt, heißt das leider nicht, dass ich es deswegen einfach loswerde.
Für das Baby wäre es z.B. gefährlich gewesen, in die Wut hineinzugehen, weil es die Verbindung zu seinen Bezugspersonen gestört hätte und das wiederum kann das Baby sich nicht leisten. Dann überlebt es nicht. Mit einem Gehirn und Nervensystem, das erst 25% seiner Kapazität hat, wäre das eine Dauerüberforderung. Eigentlich lernt das Baby, seine eigenen Emotionen zu halten und zu regulieren, indem ein erwachsenes Gegenüber verlässlich und kongruent auf es reagiert. Wenn Traurigkeit auftaucht wird getröstet, Wut darf da sein und beruhigt sich wieder, Freude wird geteilt, Angst beruhigt, Hunger gestillt. Wenn das nicht zuverlässig geschieht, verbinden sich Dinge anders miteinander. Oder, um im Bild zu bleiben, da werden ein paar Platten halt falsch verleimt. Ich bin ziemlich sicher, dass die Rückenschmerzen und Körperverspannungen, seit Beginn meiner Arbeit im Gefängnis sehr stark aufgetreten sind, ein Echo der Versuche des Babys sind, diese emotionale Instabilität und Unsicherheit der ersten Jahre körperlich auszugleichen.

Und wenn ich hier in der Klinik meine Emotionen auch körperlich genau spüre, merke ich wie sich mein ganzer Leib zusammenzieht und es innerlich zieht und zuckt, weil das die Lösung des Babys für das emotionale Dilemma war. Das führt aber dazu, dass die verdrängten Gefühle zwar körperlich irgendwie ausgedrückt werden, durch Spannung oder Engegefühl, aber das ganze eben nicht auf eine Weise verbunden wird, die eine gute Regulation und Beruhigung wieder zulässt. Und das alles auf einer Ebene, die überhaupt nicht bewusst ist sondern über das autonome Nervensystem gesteuert wird. Es ist eine anstrengende Arbeit, aus dem spüren der Körperimpulse ins Fühlen der Gefühle zu kommen. Und manche Gefühle waren früher so gefährlich, dass sie komplett verdrängt sind. Wie lockt man die wieder ins Bewusstsein? Wie kann man etwas zulassen, was aus gutem Grund lange extrem gut weggepackt war?


Für die fünfjährige, die plötzlich damit konfrontiert war, dass der große Bruder lebensbedrohlich erkrankt ist und das in der Familie an ganz vielen Stellen zu heftigen Veränderungen führte, war die Angst und die Einsamkeit vermutlich ziemlich unerträglich. Es gab wenig Raum für sie und ihre Bedürfnisse, weil die Bedrohung an anderer Stelle so groß war. Also hat sie sich unbewusst gesagt, ich bin jetzt einfach möglichst brav und angepasst und mache keinen Ärger. Aber vermutlich hat niemand ihre Angst gesehen. Und ihre Hilflosigkeit, weil sie überhaupt nicht verstanden hat, was da gerade abgeht. Die Erwachsenen waren selbst so überfordert, dass sie hauptsächlich Lösungen für sich gefunden haben. Ich glaube kaum, dass irgendjemand mir damals so wirklich erklärt hat, was genau los ist. Oder dass ich das als Fünfjährige verstanden hätte.
Ich hätte eine emotionale Sicherheit gebraucht, die auch meinen Eltern zu dem Zeitpunkt nicht wirklich zur Verfügung stand, weil alle im Alarm-Modus waren. Ich wurde versorgt. Irgendwie lief der Alltag weiter. Aber ich vermute, dass die fünfjährige ganz genau gemerkt hat, dass das alles gerade nicht so wirklich echt ist, das unter dem anscheinend Normalen ganz viel Aufregung und Sorge steckt, die hatte ja auch diese besondere Feinfühligkeit. Also wurde ich besonders mutig in vielerlei Hinsicht. Aber eigentlich eben auch nicht, weil bei mir das Gefühl Angst gründlich weggepackt worden ist, dass sie mir auch nicht in ihrer gesunden Funktion, mich vor Gefahren zu warnen, zur Verfügung gestanden hat. Sondern allenfalls ein Echo in diffusem körperlichen Unwohlsein findet.
Mein Wunsch, Angst als Gefühl und Körperreaktion ins Bewusstsein zu heben, kommt von der Hypothese her, dass auch das Essen mit bis heute dabei hilft, die Angst nicht zu spüren. Wieder etwas, was sehr schwer aufzulösen ist. In der Körpertherapie haben wir die Grundgefühle Angst, Wut, Trauer und Freude versucht im Körper zu verorten. Also welche Kombination von Körperwahrnehmungen wird für uns als dieses oder jenes Gefühl erlebt. Da gibt es individuelle Unterschiede. Aber auch viele Ähnlichkeiten.
Wut, Trauer und Freude hatte ich leicht zur Verfügung. Konnte mich hineinfühlen und im Körper verorten, wo ich was spüre. Bei der Angst dachte ich zunächst, dass mir das nicht gelingen würde. Aber dann spielte die Therapeutin Raubtiergebrüll ab, und irgendwas hat das in mir ausgelöst. Plötzlich kriegte ich eine Ahnung, wie sich Angst anfühlt, gefangen zwischen dem Drang wegzulaufen und Lähmung, mit unsteten Augen und ganz viel Spannung im Körper. Als die Übung vorbei war, liefen mir die Tränen und ich zitterte. Ich fühlte mich sehr jung dabei. Als Zusammenhang habe ich dann hinterher an den lauten und grimmigen Schäferhund unserer Nachbarn früher gedacht, vor dem ich als Kind glaube ich sehr viel Angst hatte.
Vielleicht ist das eine erste Öffnung, um diese versteckte Angst wieder zugänglich zu machen. Denn ich möchte sie nicht weiterhin über Verspannung regulieren. Und auch nicht über mein Essverhalten.


