
Kujiona ndani ya macho yako – mich in deinen Augen spiegeln
Vor drei Wochen waren wir als Gruppe zuständig für die Gestaltung des wöchentlichen Plenums. Da treffen sich alle Patienten und auch ein Teil des Therapeutenteams, es werden offene Fragen geklärt, die neuen Patient*innen begrüßt und diejenigen, die kurz vor der Abreise stehen, verabschiedet. Außerdem wählt jede Gruppe ein Thema, zu dem sie etwas gestaltet und sagen mag.



Der Prozess, sich mit zwölf Menschen auf eine solche Veranstaltung vorzubereiten und ein Thema auszuwählen war spannend und anstrengend. Eine solche Aufgabe in einer doch sehr heterogenen Gruppe weckt, glaube ich, bei den meisten ihre alten Muster. Das mal 12 und im gleichen Raum, mit dem Ziel am Ende vor 80 anderen Leuten etwas zu präsentieren… Holla die Waldfee.
Es war ein anstrengender Weg, und vermutlich dann letztendlich auch ein Therapiegeschenk, bei dem jede was über sich lernen durfte. (Oder zumindestens gab es Einladungen zu Lernerfahrungen, ich kann immer nicht einschätzen, wer wie mit diesen Erfahrungen umgeht 😇)
Meine innere Aufgabe für mich war, mich nicht in einer Leitungs- oder Moderationsrolle wieder zu finden, um nicht alte Muster von Selbstvalidation durch Leistung zu bedienen. Da ich ja in meinem beruflichen Umfeld oft Gruppenprozesse gestalte und steuere, um Lernräume für die Mitglieder zu öffnen, war das gar nicht so leicht. Vor allem wenn einem so glasklar vor Augen steht, was es dafür bräuchte. Zum Beispiel Räume für Austausch, ein Sammeln unterschiedlicher Ansichten, bevor man eine Entscheidung gemeinsam treffen kann, damit alle sich im Boot fühlen, das kann einen durchaus anstrengenden Klärungsweg beinhalten. Hilfreich wäre vielleicht eine Gruppenmoderation von jemandem, der von allen diese Rolle zugestanden bekommt.



In dem Moment hatte ich eine solche Rolle nicht, und wollte sie auch nicht einnehmen. Im Gegenteil hatte ich bei einigen Resonanzen von Gruppenmitgliedern das Gefühl, dass meine Beiträge eher als Konkurrenz oder bedrohlich wahrgenommen worden. Das hat nun einerseits bei mir eher selbstabwertende und sich klein fühlende Tendenzen von Unverbundenheit ausgelöst, aber eben auch eine Traurigkeit darüber, dass meine Fähigkeiten nicht genutzt werden (können). Damit im Blick habe ich die selbst auferlegte Abstinenz von Leitung und Lösungsorientierung und Prozessverantwortung tapfer durchgehalten. In solchen Momenten ist es für mich immer noch sehr schwierig, nicht in Selbst- oder Fremdabwertungsmuster zu rutschen.
Passend zu dem Thema , das eine Gruppe auswählt, soll dann immer auch ein kleines Geschenk für die Neuen und die Abreisenden gestaltet werden. Das bedeutet natürlich, dass es dafür auch eine Idee und Bastelzeit braucht.
Zwei Wochen vorher kam diese Aufgabe in unseren Fokus, und da die Gruppe zu dem Zeitpunkt eher aus verschiedenen Untergrüppchen bestand, wurde erstmal prokrastiniert und verschoben. Ja wir müssten mal miteinander überlegen… Das Miteinander aller gab es in dem Moment aber gar nicht so richtig.
Ich habe gemerkt wie wichtig es mir war, eine Richtungs-Entscheidung so zu treffen, dass wir nicht am Ende eine Idee hätten, aber vielleicht nicht das nötige Material. Aber es blieb zäh und diffus. Keiner hat es so richtig angepackt. Wäre es erwachsen gewesen, da für mich zu sorgen und zu sagen hört man Leute, lasst uns das doch bitte jetzt entscheiden damit wir schauen dass wir dafür brauchen?
Ich hatte wohl Angst vor der Reaktion einiger Leute, bzw. war mir überhaupt nicht sicher, ob die anderen dieses Bedürfnis hören, es gut für alle zu gestalten, oder mich als dominante blöde Kuh abwerten. (Spannend, was man sich selbst so erzählt, gell?).
Ich habe mir dann erzählt, dass ich da keinen Bock drauf habe, und nicht verantwortlich bin. Und die Diffusität und Unklarheit ausgehalten. Aber wie ist das, wenn man einen Teil der Verantwortung ja durchaus hat? Ich bin ja eine von zwölfen. Und mir ist es wichtig, dass wir diesen Raum vor der gesamten Kliniköffentlichkeit gut gestalten miteinander. Dass nicht jede Woche jede Gruppe einfach abkupfert, was die davor gemacht haben, sondern man miteinander überlegt, was man dann wirklich den anderen mitgeben möchte. Wie man die Kultur der „Therapiegemeinschaft“, die ja in allen Verlautbarungen so hoch gehalten wird, wirklich leben kann. Damit für alle dieser Raum zu einem heilsamen Erfahrungsraum werden kann. Aber für die Saat einer solchen Kultur bin ich halt nicht verantwortlich. Das braucht Basisarbeit von denjenigen, die hier in dieser Klinik arbeiten und die Kontinuität darstellen. Ansonsten bleibt diese innere Sicherheit Glückssache und hängt daran, wie sehr Einzelne bereit sind, sich trotz ihrer Unsicherheiten hier zu zeigen und vorzuwagen.
Die (Hypno)Systemikerin in mir, der solche Prozesse so ultra wichtig sind, rollt manchmal mit den Augen und leidet. (Energy flows where Attention goes…) Denn manchmal bräuchte es so wenig, um es durch einen sehr bewusst gesetzten Fokus allen leichter zu machen. Man kann diesen sicheren Kontext schaffen, aber nicht durch Worte auf Papier. Die erreichen immer nur den „Pressesprecher“ der einzelnen Leute im Kopf, der nur meint er habe etwas zu sagen, nicht ihre emotionale und sehr unterschiedliche Erlebenswelt, die da drunter über die eigenen Möglichkeiten blitzschnell entscheidet.
Die Frau, die so viel über Entwicklungstrauma weiss und am eigenen Leib spürt, was hilfreich ist und was es schwerer macht, sieht hier in so vielen Augen die Not der alten Verletzungen, spürt das Hochfahren von Beschützermodi, die die alten Wunden um jeden Preis verbergen wollen, und weiß doch gleichzeitig darum, dass die alten Wunden, die in Beziehungen entstanden sind, nur in heilsamen neuen Beziehungserfahrungen heilen können. Damit es überhaupt Raum gibt, um erwachsen im Hier und Jetzt zu bleiben und sich nicht in den verletzten Anteilen zu verlieren, egal ob das die Essstörung ist oder andere heute dysfunktionale Lösungsversuche aus unserer Vergangenheit.
Da merke ich, dass die verhaltenstherapeutischen Ansätze, die hier sehr hoch gehalten werden für mich zu kurz greifen. Ich glaube, dass es neben Regeln, Konfrontation und Information auch emotionale Sicherheit für die verletzten Seiten in den Patient*innen braucht, die man nicht einfach in die Eigenverantwortung der anscheinend erwachsenen Patient*innen abgeben kann und die in einer solchen Gruppe nicht automatisch entsteht. Denn unter der erwachsenen Schale wirken ja all die alten Überlebensmuster und Notfallprotokolle. So viele der Menschen hier haben in ihrem Prozess Mühe in der Balance zwischen Bindung und Autonomie. So viele haben da wesentliches nicht wirklich sicher lernen und erfahren können. Und brauchen hier durchaus auch eine Nachversorgung. Die bestenfalls in der Therapiegemeinschaft geschieht. Und in einer Begegnung auf Augenhöhe zwischen Behandelnden und Behandelten. Da ist für mich hier durchaus noch Luft nach oben.
Und in einer Hierarchie-freien Gruppe, die keine wirkliche Sicherheit bietet, bilden sich Rollen und Hierarchien irgendwie von ganz allein. Das freie Spiel der Kräfte, (und die jeweiligen Überlebensmuster) das nicht unterscheidet oder darauf Rücksicht nimmt, wer in dem Prozess verletzt wird, regelt dann das Miteinander und ist für mich nur schwer auszuhalten.
Hätte ich den Kampfmodus anschlagen sollen, um meinem Bedürfnis nachzugeben, diese Aufgabe in der Gruppe möglichst im oben beschriebenen Sinne gut zu lösen?
Hätte das dem Prozess vielleicht gut getan? Oder wie hätte ich mich einbringen können, ohne zwischen dem Säbelrasseln unserer jeweiligen Beschützermodi unterzugehen? Es gab so einen Grundgefühl von irgendwie damit überfordert sein, schien es mir.
Die Stimmung war jedenfalls bei allen angestrengt und gedrückt.
Irgendwie und irgendwoher gab es dann zwei Schlagworte, welche Themen es sein könnten.
Aber eben keine Entscheidung von allen dafür. Und auch keine Konsensbildung.
Zumindest gab es einen Plan, wann wir uns als Gruppe zusammensetzen, um das ganze vorzubereiten. Vier Tage vorher. Zu einem Zeitpunkt, wo ein Therapieangebot ausgefallen ist.
Im Raum standen die Themen“Geduld“ und „Spiegel.“
Ich war ja gedanklich viel mehr bei „Selbstwirksamkeit“ oder „Verbundenheit“ und hätte gerne mit allen überlegt, wie man ein solches Thema denn überhaupt so aufbereitet, dass man in den 20 Minuten den Leuten nicht nur ein paar Zitate um die Ohren schleudert, sondern den Anwesenden in ihren eigenen Prozessen etwas hilfreiches auf dem Weg mit gibt (das könnte aber auch wieder mal mein sehr hoher Anspruch an mich und andere sein und mir war schnell klar, dass das den anderen wieder viel zu fremd ist und einigen vermutlich auch zu viel Arbeit, sich damit auseinanderzusetzen)
Das war auch ein Unterschied, den ich wahrgenommen habe. Einige wollten es richtig gut machen, andere wollten das nur hinter sich bringen, wieder andere wollten nur, dass sie das möglichst heil überstehen. Und all diese verschiedenen inneren Bilder der Aufgabe hingen zwischen uns unausgesprochen im Raum an jenem Nachmittag. In meinem Hirn rumorte natürlich auch die Gestaltungsidee. Zu Geduld ist mir nicht viel eingefallen, aber mit dem Spiegel konnte ich was anfangen. In meinen kreativen Schüben hier hatte ich schon am Wochenende mit den temperafarben Drucke erstellt, in denen ganz zarte und filigrane Farbverläufe entstanden sind.
So als Ausgangsmaterial, ganz egal was wir dann daraus basteln würden.
Eine Mitpatientin hat dann ohne vorherige Konsensbildung ziemlich deutlich Leitung übernommen. Mit all ihren Mustern von Dominanz, Ergebnisorientiertheit und auch Ungeduld. Es war sehr krass, die Wirkung auf die einzelnen Gruppenmitglieder zu beobachten. Viele fühlten sich unwohl, keiner hat dem Anspruch etwas entgegengesetzt und einen Konflikt offen angesprochen, manche duckten sich weg. Vielleicht haben andere die Spannung einfach ausgeblendet. Mein früherer Kollege in der TS, ausgebildeter Gruppendynamiker, hätte vermutlich seine Freude daran gehabt.
Nachdem sehr schnell klar war, dass das Thema Spiegel leichter umsetzbar war, wurde überlegt, was und wie wir sagen wollten. Wer sich wie einbringt.

Ich habe mich hingesetzt und einen Entwurf gemacht. Einen handspiegel aus Papier, mit einem Alufolien-Spiegelfeld, in dessen Mitte ein kleines Herz klebt. Der wurde natürlich von einigen kritisiert, von anderen wohl aufgenommen. Aber niemand hatte eine bessere Idee. Auf die Rückseite sollte je spiegelspruch geschrieben werden, möglichst unterschiedlich.





Danach habe ich Herzchen ausgeschnitten, jedes anders, in verschiedenen rot rosa Tönen, jedes unterschiedlich groß.
Ab und zu eine Idee reingeworfen und geschaut, ob irgendjemand sie unterstützt.
Als es darum ging, welche Texte wir Vorlesen wollen, hat eine Mitpatienten die verschiedenen Aspekte des Themas (auf sicherlich kluge Weise) bei Chat gpt eingefüttert und dann entstand mit formulierungshilfe der KI auch ein ziemlich solider Text.
Ich merke, wie mir die Nutzung dieser Werkzeuge immer noch suspekt ist und ich finde, dem doch ein bisschen die Seele fehlt, aber es war schon viel Gutes dabei.
Es musste natürlich auch entschieden, in welcher Reihenfolge wir die einzelnen Elemente miteinander verknüpfen, es gab noch ein Lied, dessen Refrain wir abspielen wollten, und wir haben darum gerungen, in welcher Folge die einzelnen Dinge Sinn haben.
Als jemand, die als Predigerin ja mit dem gesprochenen Wort umgeht, ist mir auch die Dramaturgie einer solchen Veranstaltung wichtig. Was wirkt wie an welcher Stelle? Wo nehmen Menschen was mit? Churchy gesprochen, welchen roten Faden und Spannungsbogen hat der ritualisierte Ablauf, also quasi die Liturgie dieser Veranstaltung.
Wieder entstand für mich die Herausforderung, mein Wissen und meine Fähigkeiten anzubieten, ohne kämpferisch zu werden oder Recht haben zu wollen.
Als es darum ging, einen Abschlusstext für das Plenum zu finden, habe ich angeboten, bis zum nächsten oder übernächsten Tag etwas zu schreiben. Auch dies etwas, was ich ja regelmäßig tue, und es gibt Menschen, die meine Texte sehr schätzen… Auch dort durfte ich erleben, dass dieses Angebot von einigen vehement abgeschmettert wurde mit dem Anspruch, alles heute fertig zu kriegen. Also wieder Chat gpt.
Ich könnte ja durchaus noch was schreiben, falls es besser wäre könnte man dann noch tauschen. Aber jetzt wäre es einfach am wichtigsten, dass das ganze Ding heute steht. Das hat mich dann doch erstmal gekriegt und ich habe das Angebot nicht aufrechterhalten. Auch diejenigen, die neugierig waren auf einen Menschen gemachten Schlusstext haben gegen diese abgefertigte Leitungsentscheidung (wieder ohne Mandat) nicht aufbegehrt.
Und dann haben alle irgendwas gemacht.
Und am Ende war tatsächlich vieles fertig. Die Frage nach Moderation und Präsentation blieb allerdings ungeklärt. Viele waren am Ende ziemlich aufgewühlt und emotional fertig.
Ich war ganz dankbar, dass ich immer noch ein bisschen Distanz hatte, und nicht in Kränkungsgefühlen ertrunken bin.
Am Vorabend der Veranstaltung haben dann diejenigen aus der Gruppe die abends noch zusammen saßen miteinander geklärt, wer die Moderationsparts übernimmt. Letztendlich haben sich so gut wie alle eingebracht. Ich bin weitgehend im Hintergrund geblieben und war stolz drauf. Unsere Gruppentherapeutin war vom Ergebnis begeistert.
Ein Gedanke, der mir hier besonders wichtig geworden ist kam dann nur am Rande vor.
In einer solchen Zwangsgemeinschaft einer Therapiegruppe werden wir einander alle zu Spiegeln.
Ich sehe deine Beschützer-Muster und reagiere auf sie. Ich erlebe meine eigenen Muster und Reaktionen auf die Worte und Taten der anderen. Jeder und jeder stellt mir eine andere Facette der Lebendigkeit zur Verfügung, die entweder auch in mir vorhanden ist, oder die bei mir zu den abgespaltenen und ungewollten Eigenschaften gehört.
Da nimmt sich jemand ohne Mandat eine Leitungsposition und versucht ein Ziel zu erreichen, kommandiert dabei aber die anderen herum. Einige finden das super und freuen sich, dass jemand Verantwortung übernimmt (die ihnen selber vielleicht zu anstrengend ist)
Andere fühlen sich gegängelt und entwertet. Sind aber vielleicht nicht in der Lage oder willens für ihre eigenen Bedürfnisse und Ideen einzutreten.
In jeder anderen Seele kann ich ein Stück von mir entdecken. Wir sind alle verschieden, stellen uns aber immer wieder etwas zur Verfügung, wenn wir emotional miteinander in Kontakt kommen. Dabei gibt es keine guten und schlechte Gefühle, sondern im Prinzip immer nur Informationen über uns selbst und die anderen. Manchmal heftig. Manchmal hilft nur die innere Emigration.
Manches wird zum Trigger für eigene alte Wunden. Im Spiegel der Eigenart der anderen begegnen wir uns immer selbst. Sehen wir wirklich mutig in diesen Spiegel und fragen uns, was er mit uns selbst zu tun hat, oder gehen wir mit unserer ganzen Energie nach außen, in die Abwehr, in die Abwertung oder umgekehrt in die Überhöhung?


Heute als erwachsene Menschen hätten wir die Wahl. Wir sind nicht mehr abhängig voneinander. Und trotzdem braucht es immer wieder eine Entscheidung, sich nicht im Wirrwarr der Muster zu verlieren.
Der Prozess war super anstrengend. Das Ergebnis war ziemlich genial und hat die anderen emotional erreicht, trotz Chat gpt.
Als Teile dieser gemeinsamen Gruppe sind wir daran gewachsen. Aber es haben sich auch ein paar Vorurteile verfestigt.
Ich glaube, damit in diesem Rahmen das Vertrauen ineinander und in die gesamte Gruppe wachsen kann, bräuchte es eine Reflexion des Prozesses miteinander, wo ehrlich ausgesprochen werden kann, was in den Einzelnen so los war. So versuchen wir das in meiner Arbeit oft.
Vielleicht wäre das wieder so ein Baustein, der die Sicherheit für die Einzelnen erhöht, damit sie sich mit ihren Fragen und Verletzlichkeiten in den Gruppentherapien leichter zeigen können.
Aber auch dafür bin ich ja wieder mal nicht verantwortlich…






